keine panik!
  offenes weblog rund um panikattacken      
 
Donnerstag, 14. März 2002

Ja,...


...eine gute Idee, dieses Weblog.

Liisa machte mich darauf aufmerksam und ich danke ihr dafür.

Seit rund zehn Jahren leide ich unter Agoraphobie und Panikattacken. Es ging immer mal besser, dann wieder schlechter und seit knapp zwei Jahren sitze ich fast ausschiesslich in meinem direkten Lebensbereich und schaffe es nur sehr selten, die Grenzen des Grundstückes hinter mir zu lassen.
Es wird kaum eine Therapieform geben, die ich nicht durchlaufen habe - ob ambulant, stationär, homöopathisch bis zum Hand auflegen lassen...
Eine Zeit lang verbesserte sich meine Lebensqualität, dann ging's ad hoc bergab.
Ich verfalle durch die "Überfälle" in depressive Gefühlszustände, verliere jeden Rest an Selbstwertgefühl.

Im Moment strampele ich mich gerade wieder aus einem solchen Loch. Meine Stimmung ist zwar wesentlich besser als noch vor ein paar Tagen, die Unruhe hat mich jedoch noch voll im Griff. Seit drei Tagen fehlt mir der Schlaf, was die Nervosität noch unnötig steigert.
Aber ich bin wieder so weit, dass der Wille, es zu schaffen, greifbar wird.

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kritisches

kritische artikel zum thema Angst- und Panikstörungen, Phobien und Zwangserkrankungen auf der seite Psychotherapie. sich verstehen - glücklicher leben.
siehe ebendort auch: Profi oder Scharlatan? Wie man die besten Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten findet

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Mittwoch, 13. März 2002

die angst, durchzudrehen

den folgenden text schrieb ich vor einem jahr jemandem in einer mail. ich meinte, ihn davor bewahren zu müssen, dass ihm ähnliches passiert.
vor einem jahr wusste ich noch nicht, dass es panikattacken gibt. dass ich selbst eine hatte, damals, im november 1985. heute weiss ich, dass ich heftigst unter dem symptom der derealisation gelitten habe. deswegen klingt es noch so, als wäre ich wirklich beinahe durchgedreht.

###

ich weiß eine menge über einsamkeit.
ich war über sehr lange zeiten meines lebens sehr einsam.
das muss nicht schlecht sein.
man lernt viel. beobachten, denken.
man kann lesen und schreiben und lesen und denken und schreiben.

aber es kann auch gefährlich werden.
einmal wäre ich beinahe durchgedreht, verrückt geworden. nenn es wie
du willst.
das war 1985, im studium.
ich saß da in meiner bude und alle freunde und lieben in anderen städten.
kein telefon (hatte man damals noch nicht selbstverständlich, ich hatte viele jahre keins), natürlich keinen rechner, internet und sowas.
nur briefe gabs und einmal die woche telefonzelle und manchmal mit dem zug nache hause.
in der zwischenzeit da sitzen in der bude und lesen und musik hören und denken und briefe schreiben.
alles sehr schön, aber irgendwann wurde es zuviel.
ich war extrem einsam.
aber das wußte ich damals nicht.
ich habe mich verwoben verstiegen verirrt.
in mir.

diesen abend kann ich dir noch immer in jedem einzelnen augenblick beschreiben.

ich habe die Pavane pour une infante défunte von ravel gehört, immer wieder, es war im herbst, november, dunkel... und ich saß da und dachte und alles wurde immer klarer und ich stieg immer höher, durchdrang diese welt, durchschaute die dinge und zusammenhänge, höher, immer höher -
erst hat mir das noch sehr gefallen, ich fühlte mich wie auf dem highfly meines lebens -
irgendwann merkte ich, dass ich nicht mehr zurück kann,
dass ich es nicht anhalten kann,
es ging immer weiter nach oben im kopf,
es wurde immer kälter,
immer einsamer,
ich erkannte, welcher art die beziehungen der menschen zueinander sind,
was liebe ist,
das ließ ich alles hinter mir,
immer weiter, immer höher in der erkenntnis -
(in der mystik ist das der weg der gottesschau, durchdrungen von liebe und immer näher zu ihrer quelle - das hier war das genaue gegenteil, ganz ohne liebe, ganz ohne gefühl, nackte blanke stahlblaue erkenntnis, eiskalt)
so also,
es ging immer weiter, weiter und höher hinauf auf diesen unbekannten berg -
und dann setzte die angst ein,
das entsetzen,
die panik -
immer mehr von den vertrauten lebensbanden rissen,
immer weniger konnte mich halten -
und irgednwann war es nur noch ein dünner kleiner faden
und ich wußte ganz genau, wenn der reißt,
dann muss ich schreien und werde nie mehr aufhören zu schreien.
ich wußte, verstehst du, es war mir die ganze zeit bewußt,
daß ich unmittelbar, einen millimeter davorstehe,
durchzuknallen.
und ich wußte nicht, was ich dagegen tun sollte.

ich habe alles probiert,
meine gitarre genommen und geklimpert,
ich wollte meinen geist konzentrieren,
auf etwas anderes lenken...
umsonst.
ich sprang auf, zog eine jacke über und bin rausgerannt,
durch die feierabendlichen straßen,
habe die leute angesehen-
niemand konnte mir helfen,
was hätte ich denn auch sagen sollen?
ich bin in einen supermarkt, etwas einkaufen...
nichts half, ich konnte alles tun,
aber mein geist blieb auf seiner höhe,
zum endgültigen absprung bereit,
kurz davor,
es fehlte nur noch ein fingerschnippen...

das ganze hielt einige tage an.
ich weiß nicht mehr genau, was ich alles in diesen tagen getan habe,
versucht habe.
ich kann mich aber an diese entsetzliche angst erinnern, die mich nicht mehr verließ.
ich weiß auch nicht, was mich gerettet hat.
ich habe es irgendwie durchgehalten.
und dann wurde es schwächer.
immer schwächer.
die gefahr wurde schwächer.
die ungeheure fremde drohende kraft, die mich zum schreien zwingen wollte, wurde schwächer.
ich hatte den längeren atem, war zäher, hab irgendwie durchgehalten,
hab es ausgehalten, mich dagegen gestemmt und gewonnen,
ganz langsam, ganz mühsam.
und war lange, sehr lange zeit danach, immer noch nicht davon überzeugt,
gerettet zu sein.
wieder sicheren boden unter den füßen zu haben.
ich wußte genau, dass es wiederkommen könnte.
und ich wußte nicht, wann, warum, wodurch...
deswegen war ich auf der hut und wachsam.
und so verging diese schreckliche zeit.

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